Monatsarchiv für Oktober 2012

 
 

26. Oktober 2012 // »NEUSCHWANSTEIN« Erhabener Soul, Etudes Légères und prunkvoller Eklektizismus mit Anselm von Wegen (Zandvoort/NL) und Sir Lieutenant Jörg Petzold

Handschriftlich wurde übermittelt: »Ich denke, wir sollten den Abend mit einem Gläschen Pastis beginnen. Im Anschluß ginge ich dann zu einigen Dehnübungen über, um dann – und zur Entspannung – etwas Charmantes aufzulegen.

Dazu würde ich Rosé-Champagner ausschenken und das Publikum dezent und, sofern bekannt, namentlich begrüßen. Ich denke, ich werde mir für diesen Abend einen schmalen blauen Schal nebst sauteurer Edelmontur zulegen, die ich unter einer alten Traingsjacke mit dem Aufdruck »Hertie 01« verberge.

Da ich annehme, daß man sich an einem Freitagabend amüsiert sehen will, werde ich den Vortrag von Gedichten und Kurzprosa aufs Notwendigste begrenzen, um alsbald zu einem forcierten Ritt durch die Smash-Hits der sogenannten »Hamburger Schule« überzugehen, die ich in meiner selbstverschuldeten Hebephrenie aus guten Gründen furchtbar lang bewundert habe. Selbstverständlich würde ich diese Strecke mit »Ich scheiß auf deutsche Texte abschließen«, denn daß Deutschland nervt, das kann als ehernes Grundgesetz angenommen werden, damit wir den gemeinsamen Blick auf den bestirnten Himmel über uns freiräumen können.

Ab Mitternacht (Geisterstunde) möchte ich die musikalische Auswahl noch offen halten, vielleicht auch deswegen, weil ich meine umfangreiche Plattensammlung seit einigen Jahren nicht mehr angerührt habe. Der allgemeine Überfluß an Geräuschmitteln hat mich von dieser Liebhaberei Abstand nehmen lassen. Ich kann mich aber noch erinnern, daß ich ein gewisses Repertoire an Rhythm’n’Blues, Soul, Chansons, Italo und sanfter Elektronika hatte. Dazu etwas Northern Soul und tanzbare Westernmucke.

Auch hier steht bei der konkreten Auswahl ein prunkvoller Eklektizismus im Zentrum meines Interesses. Für die Morgenstunden möchte ich dann ein paar Kerzen anzünden und dazu Gospel und instrumentalen Steigerungsrock hören.

Zusammenfassend ließe sich folgendes zu Protokoll geben: Vielen Dank, ich nehme die Einladung an. Ich nenne den Abend »NEUSCHWANSTEIN (oder Das Ende keiner Jugendbewegeung)«.

Mit solidarischen Grüßen,
Anselm v. Wegen

Zitat: Die größte Gnade auf dieser Welt ist, so scheint es mir, das Nichtvermögen des menschlichen Geistes, all ihre inneren Geschehnisse miteinander in Verbindung zu bringen. (H.P. Lovecraft)«

Gestern kam dann eine Postkarte diesen Inhaltes: »PS.: Ich bringe den sehr bewunderten Sir Lieutenant Soul JÖRG PETZOLD mit! Das wird ein Fest! Druschba, AvW.«

25. Oktober 2012 // Die Untüchtigen: Ein Abend mit GERD FUCHS

Einlass 19.30 Uhr – Beginn 20.00 Uhr

Eintritt 4 €

Cornelia Schramm und Anselm Lenz lesen Texte von Gerd Fuchs und sprechen zwischendurch mit ihm auf der Bühne des Golems.

An einem regnerischen Hamburger Oktobernachmittag haben wir den Schriftsteller Gerd Fuchs besucht. Fuchs mag leichte Bordeaux-Weine, sitzt gern in seinem eleganten Ledersessel, legt die Beine hoch und lächelt. Er arbeitete für die Feuilletons des WDR’ und der »Welt«, promovierte über Rilke in England, und ist Mitte der 80er Jahre aus der DKP ausgetreten. Andere (wahre und unwahre) Annahmen, die man einem in Würde gealterten westdeutschen Schriftsteller der Gruppe 47 zuschreiben könnte, treffen nicht zu. Denn Gerd Fuchs hat noch immer Fragen an die deutsch-deutsche Geschichte, die Kontinuität des Faschismus, das Sublime im Banalen, den zerstörerischen »Traum vom neuen Menschen« und den Gang der Dinge.
Wir freuen uns zusammen mit der Edition Nautilus, mit über diesen fröhlichen und scharfzüngigen Mann einen Abend präsentieren zu können, der uns diesem wachen Begleiter der deutschen Nachkriegsgeschichte und hochproduktiven Disputanten der westdeutschen Literatur auf die Spur bringen kann: Gerd Fuchs.
Fuchs wird 80 Jahre, lebt in Hamburg. Mit seinen hellwachen Romanen und Erzählungen hat er einen Gang durch die Geschichte gemacht, der immer wieder größte Aufmerksamkeit erregte, und doch nicht der Form in den literarischen Kanon einging, wie man es als Leser seines Werkes vermuten müsste.
Cornelia Schramm und Anselm Lenz lesen aus seinen Büchern, stellen Gerd Fuchs Fragen, und machen entlang seines poetischen Rekurses »Heimwege« einen dialogischen Gang durch Individuation, Leben und Geschichte einer Zeit, die noch längst nicht zuende ist. Zum Schluß kann mit Fuchs auf seinen 80. Geburtstag angestoßen werden.

»Gerd Fuchs behandelt in seinen Werken politisch zentrale Themen. Übergreifend geht es meist um individuelle, aber gesellschaftlich verursachte Identitätsverunsicherungen und -suchen in bedeutenden Phasen der jüngeren und jüngsten Zeitgeschichte. In Landru und andere (1966) erzählt Fuchs zum Beispiel in symbolträchtigen Momentaufnahmen vor allem von Konfrontationen mit Weltkrieg und Faschismus und deren Nachwirkungen bis in die Gegenwart hinein. In Beringer und die lange Wut (1973) geht es um die Entwicklungsgeschichte und Politisierung eines kleinbürgerlichen Intellektuellen Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre, als die studentenbewegten Köpfe neue Orientierungen suchten. Ein Mann fürs Leben (1978) handelt von einem Dreher, der durch unerwartete Arbeitslosigkeit verunsichert wird und sich zur gleichen Zeit mit den Emanzipationsprozessen seiner Frau auseinandersetzen muss. In Stunde Null (1981) untersucht Fuchs erzählend die Situation der Menschen eines Dorfes in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren.
So sehr die Stoffe nach gesellschaftlicher Relevanz ausgewählt erscheinen und auf bewusste politische Wirkungsabsichten schließen lassen, so wenig finden sich in Fuchs’ Literatur vordergründig konstruierte Lebensmodelle von Menschen. Die Qualität seiner Prosa konstituiert sich gerade durch das neugierige Sich-Einlassen…« (Uwe Naumann und Jürgen Heizmann in: Kritisches Lexikon)

Vlnr.: Richard Hey (früh verstorben), Uwe Timm, Gerd Fuchs, Uwe Wandrey, Christian Geißler.

Am Boden: Andreas Hopf, Verlagsleiter Hoffmann & Campe in ironischer Pose.

Autorenedition. Das Bild ist aus dem Jahr 73.

19. Oktober 2012 // Krypta: Trio Infernale

“techno.house.bass.und bam!”

glanzvoll besetzt mit Pelle Buys, sdfkt. und Ratkat.

25. Oktober 2012 // Krypta: Octo Octa (live) & Yør

Octo Octa (100% Silk)
Yør (Purple Maze)

Octo Octa is Michael Morrison, a Brooklyn-based house music producer. Following the release of his debut EP “Let Me See You” on 100% Silk in 2011 – a release described by label head Amanda Brown (LA Vampires) as “literally one of the favorite songs ever released on either of my record labels” – he went on to produce three further releases for the label: ʻRough, Rugged, and Raw,ʼ ʻOh Love,ʼ and an eventual collaboration with Amanda Brown, the ʻLA Vampires by Octo Octaʼ release “Freedom 2K.” His singular brand of R&B-sampling deep and emotional house music has propelled him to the forefront of a scene of house-not-house producers garnering widespread critical acclaim in both traditional electronic music and indie-minded musical circles. Having recently been selected as a participant for the 2012 Red Bull Music Academy, a European tour scheduled for late 2012, and both a new EP and LP in the works, Octo Octaʼs ascent is imminent.

04. November 2012 // Konkret Krisengipfel IV: Das Gemischte Doppel – Dichtung und Wahrheit (Hermann L. Gremliza & Horst Tomayer)

FÄLLT WEGEN KRANKHEIT AUS!
WIRD IM JANUAR NACHGEHOLT!

Das Gemischte Doppel
Dichtung und Wahrheit

Dialektik heißt von alters her, dass etwas sich entzweit und zu umso vortrefflicherer Gestalt wieder zusammenfindet. In diesem Fall: getrennt dichten, vereint vortragen. Dass Dichtung und Wahrheit seit Goethe nicht mehr in ein und derselben Person gemeinsam vorkommen, versteht sich. Längst hat ja der dialektische Materialismus die Lüge am Idealismus durchschaut. Das gemischte Doppel, das es unbeirrt mit beidem aufnimmt, ist daher “Einheit und Kampf der Gegensätze” (Lenin); Ausdruck dessen, dass unter den vorgefundenen Umständen die Wahrheit ohnehin nicht schön und die Dichtung, wo sie Schönes vormacht, immer schon gelogen ist.

Hermann Gremliza, seit 1974 Herausgeber der Monatszeitschrift KONKRET, liest, was er dort schreibt: die Wahrheit über die Welt und solche, die in allzu freier Rede ihren Senf dazu beitragen.

Horst Tomayer, Schauspieler und Dichter – einer der letzten von Rang, der deshalb noch ohne Buchhandelspreis ist -, liest (und singt) aus seinem Oeuvre, das er u.a. monatlich für Konkret produziert.

24. Oktober 2012 // We Insist! – Dieter Glawischnig Hamburg Ensemble // Ted Gaier DJ Set

20.00 Uhr

Dieter Glawischnig Hamburg Ensemble
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Gabriel Coburger sax,fl
Michael Danner tb
Dieter Glawischnig p
Sven Kerschek e-b
Dirk Dhonau dr

“Eine Veränderung der Kunst kann eine Veränderung der eigenen Haltung zum Leben bewirken. Das ist meine geheime Hoffnung.” Sein Credo hat Dieter Glawischnig bei so mancher Pionierleistung geholfen: Der studierte Pianist, Dirigent und Philosoph gründete in den 60er Jahren in Graz das erste Jazz Institut Europas. Später brachte er das Modell nach Hamburg. Dort entwickelte sich die NDR Bigband unter seiner Leitung zu einem Orchester von Weltformat. Und mit dem Dichter Ernst Jandl definierte er die Beziehung von Jazz und Texten neu. Zusammen mit einer erlesenen Auswahl Hamburger Musiker bewegt sich Dieter Glawischnig jetzt “In The Tradition”: in der Tradition frei improvisierter Musik, die aufwecken will und … verändern.

Dieter Glawischnig

Kurzbio I:
geb. 1938 in Graz, lebt noch (August 2012)

Kurzbio II:
geb. 1938, Musiker, Pädagoge, Musikwissenschaftler;
Pianist mit NEIGHBOURS seit 1974, mit CERCLE seit 1992; Chefdirigent der NDR-Bigband 1980/2008; Leiter der Jazzabteilungen an der Grazer Musikhochschule 1968/75, an der Hamburger Musikhochschule 1985/2004.

20. Oktober 2012 // Bar & Krypta: GRAPEFRUIT CLUB

Grapefruit Club Takeover mit:

Krypta: Bobbie* (Knock Knock), Tobias Duffner (Poem), HW Rhapsody (Leipzig), Natalie Novak (Rss Disco), Jubie (Malaria) .
Bar: Nina Plazonja (Pudel), Block Barley (We Aint Music), Kael Misko (Grapefruit Club), Falk Stapel (Rss Disco), Paul Gregor (Grapefruit Club)

13. Oktober 2012 // SWEET SURRENDER mit Constantin Groll & Spunky

Disco, Soul & House mit

Constantin Groll (I Feel This)
Spunky (Uncanny Valley)

18. Oktober 2012 // Konzert: PRAG // Manuel Muerte zaubert

Einlass 19:30 Uhr
Beginn 20:30 Uhr
Eintritt frei

Die beiden Berliner Musiker Erik Lautenschläger (Erik & Me) und Tom Krimi (Stereo Deluxe / Raz Ohara) entdeckten, dass sie eine gemeinsame Liebe zur Boheme der 50er & 60er Jahre haben, zu Scott Walker, Henry Mancini, Ennio Morricone, John Barry und Jaques Brel. Also fingen sie an, ein Album zu schreiben – mit Pathos, Tiefe und großen Gesten.
Und nachdem Nora Tschirner mit Stimme und Gitarre dazustieß, ist Prag seit einem Jahr komplett.
Auf ihrem Debütalbum “Premiere”, das für Anfang 2013 geplant ist, verbindet das Trio cineastischen Pop mit klugen, zeitgemäßen Texten und überbordenden Arrangements. Es erklingen Mandolinenorchester, Hackbretter, Knackbässe – und die Streicher und Bläser sind natürlich beim tschechischen Fernsehen mit dem angeschlossenen Prager Filmorchester aufgenommen.

Unterstützung erfährt die Band heute Abend von MANUEL MUERTE, der Fanfare der Magie, die Sie mit seiner blutigen Zaubershow in seinen Bann ziehen wird. Wer den Trick durchschauen möchte, ist selber Schuld, und hat nichts verstanden.

Der Multiinstrumentalist, Komponist und unehelicher Ziehsohn von Charles Bronson, Friedrich Paravicini, sorgt den restlichen Abend für die passende musikalische Untermalung.

21. Oktober 2012 // Die Untüchtigen: Dirck Linck – Batman & Robin – Das »dynamic duo« und sein Weg in die deutschsprachige Popliteratur der 60er Jahre

»Batman geht in die/ Küche und trifft / dort auf Robin, der / dem Forscher Dr. / Richard Marsten ein / Omelette à la française / zubereitet, das heißt / er kaut ihm einen ab«, dichtete Rolf Dieter Brinkmann 1968.
Auch in anderen Texten der damaligen Popliteratur haben Batman und das »Boy Wonder« Robin ihren Auftritt – bei Elfriede Jelinek, Peter O. Chotjewitz, Heinz von Cramer, Ulf Miehe usw.
Dirck Lincks kluger, materialreicher Essay erkundet die popkulturelle Attraktion des Mythos Batman und zeigt, dass das »dynamic duo« Batman und Robin als homosexuelles zwar nicht angelegt, aber problemlos zu besetzen war.
Eine Aneignung, die sich nicht nur die amerikanische Gesetzgebung zueigen machte, der damit ein weiterer Beweis für die jugendgefährdende Wirkung von Comics gegeben schien, sondern die die inzwischen über 70-jährige Wirkungsgeschichte des »dunklen Ritters« prägen sollte – in TV- und Filmadaptationen, aber auch in einer Literatur, die auf einmal die angenehm anrüchigen »Trivialmythen« des Westen entdeckte (eine Literatur, über die viel gequatscht wird, die kaum jemand aber so genau liest und ernstnimmt, wie es Linck tut).

Dirck Linck ist Mitarbeiter an der Humboldt-Universität zu Berlin und im Sonderforschungsbereich »Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste« (FU Berlin).