Diskussion. 16 Uhr – Eintritt frei
Nach dem Cinema directe und verité, nach dem Versuch mit dem Kino die Welt zu verstehen, ging es Ende der 1960iger Jahre noch entschieden weiter: Film besaß die Kraft die Welt zu verändern- und darum ging es: die Welt zu verändern, zu einem besseren, gerechteren, sozialeren Gefüge. 1973 dreht Patricio Guzman LA BATALLA DE CHILE und verändert mit diesem Film den Blick auf die Ereignisse. Was bedeutet es in einem Heute dokumentarisch zu arbeiten. Welche Bedeutung hat die Position für die Arbeit. Über das Damals und Heute, über die Schnittstellen und die unterschiedlichen cinematographischen Suchen und Bedeutungen von Bildern und Montage möchten wir an diesem Nachmittag im Golem mit Gespräch mit PATRICIO GUZMÁN (Regisseur), GERD ROSCHER (Filmemacher und emeritierter Professor für Dokumentarfilm, HfbK), OLAF BERG (Historiker – MPZ) und OLAF SOBCZAK (Dokumentarfilmer – Empire St. Pauli) und MAIKE MIA HÖHNE (Filmemacherin, HfbK, Filmfestival Berlinale) diskutieren.
Im Anschluss um 21.15 Uhr im Metropolis Kino, Kleine Theaterstraße 10, 20354 Hamburg:
NOSTALGIA DE LA LUZ (Chile / Frankreich / Deutschland 2010)
Danach Publikumsgespräch mit Patricio Guzmán im Metropolit.
Sie ist eine der trockensten Orte der Welt. Ihr Alter wird auf teilweise 15 Millionen Jahre geschätzt. Archäologen wissen, dass dort die ältesten Mumien der Welt zu finden waren. Die Atacama-Wüste in Chile hat, vom Menschen aus gesehen, dass Gedächtnis einer Ewigkeit. In diesem Gedächtnis eingeschlossen sind die – am Alter der Wüste gemessen – nur wenige Augenblicke zurückliegenden Verbrechen einer der schmutzigsten Diktaturen des »freien Westens«, des Pinochet-Regimes in Chile. Hier sollten viele vom Regime Ermordete für immer verschwinden und sind doch für immer zu finden.
Patricio Guzman hat die Wüste und die in ihr eingeschlossenen Geheimnisse menschlicher Niedertracht zum Anlass eines poetischen Films gemacht, der zu Grundlegendem in der menschlichen Erkenntnis zurückfindet: Unsere Erkenntnisse und unsere Wahrheiten kommen nicht aus der Zukunft, sondern sie kommen aus der Vergangenheit. Die Zukunft ist eine Projektion, die ausdrückt, dass wir als Menschen in unserer Geschichte noch nicht angekommen sind. Die Gegenwart ist nicht fixierbar. Alles, was wir begreifen und wissen, kommt aus der Vergangenheit. Guzmans Film beginnt im Gespräch mit einem Wissenschaftler eines Observatoriums in der Atacama-Wüste, von der aus die Sterne am deutlichsten zu betrachten sind. Der Blick ins All ist Vergangenheit. Was wir erkennen, ist dort längst vergangen und konstituiert doch unsere jetzige Erkenntnis. Und während die Wissenschaft in der Vergangenheit der Sterne eine Erkenntnis sucht, suchen Angehörige in der Wüste nach Spuren ihrer Vermissten. Wenn sie Spuren finden, hat diese Suche ihre Gewissheit, die Trauer ihren Ort, die Ungewissheit und das Schuldgefühl ihr Grab. Wenn wir menschlich sein wollen, konstituiert diese Erkenntnis einen weiteren Widerspruch zur Barbarei. Guzmans Film sprengt den geografischen Rahmen des Verbrechens in Chile und spricht die Menschheit und ihr Unwesen grenzenlos an. Aber er zeigt auch, dass der Hass auf den Menschen, der mit dem Prinzip der Ausbeutung untrennbar verbunden ist, das Leben nicht dominieren wird.